29.03.2018

Klänge und Bilder zum Eintauchen - Deutschlandfunk

Immersion ist ein Schlagwort, das in der Kunstwelt immer mehr die Runde macht. 

Gemeint ist Kunst, der man nicht gegenübertritt wie einem Bild oder einer Skulptur, sondern in die man eintaucht. Im Martin-Gropius-Bau in Berlin ist ab heute eine Installation zu sehen, die dieses Eintauchen ermöglicht – das ISM Hexadome.

Im Lichthof des Martin-Gropius-Baus hat das Institute for Sound & Music (kurz ISM) eine kuppelförmige Gitterkonstruktion errichtet – Durchmesser 15 Meter. Auf Sichthöhe sind sechs große Leinwände angebracht, die von Lautsprechern umgeben sind. Drei Subwoofer und 49 weitere Boxen ermöglichen es, den Klang hin und her wandern zu lassen. Das System ist schon zwölf Jahre alt und wurde am Zentrum für Kunst und Medien in Karlsruhe entwickelt. Doch das Hexadome ist neu. Marie-Kristin Meier vom ISM betont:

„Neu ist daran die Verbindung mit einem Videoprojektionssystem. Dadurch ist im Prinzip ein Instrument entstanden, das Klang-und-Videokünstlern die Möglichkeit gibt, gemeinsam audiovisuelle Arbeiten zu entwickeln.“

Sieben verschiedene Künstlerteams werden das Hexadome bis Ende April bespielen. Den Auftakt macht der englische Musikpionier Brian Eno. Er lässt auf der Klangebene flächige Sounds aufeinander prallen, während auf den Leinwänden Farbmuster zu sehen sind, die sich langsam ändern.

„Über ein Zufallsprinzip entstehen diese Bilder. Jedes Bild ist eigentlich ein Original. Es gibt nie das gleiche Bild noch mal. Gleichzeitig ist es extrem entschleunigend, genau wie seine Musik.“

Erklärt Tobias Götz vom Kunstkollektiv Pfadfinderei, der das Hexadome im Auftrag des ISM mitentworfen hat.

„Das Institute for Sound and Music hat nach einem Rundumkonzept gesucht und sich als erstes VR-Zelte angeguckt, aber irgendwie waren sie damit noch nicht ganz glücklich und haben uns dann gefragt. Generell ist es so, wenn man runde Leinwände hat und man befindet sich nicht im Mittelpunkt, dann werden alle Linien schrecklich gewölbt. Da wir es auch nicht wie eine Höhle mit einem Eingang machen wollten, sondern offen lassen wollten von der Architektur her, war es für uns eher so, dass wir Fenster in eine andere Welt gestaltet haben.“

Ob man durch diese Fenster reale Landschaften sieht oder abstrakte Farbflächen, hängt von den Künstlern ab. Die Leinwände können statische Bilder zeigen oder flackern wie die Lichter eines Techno-Clubs. Marie-Kristin Meier:

Installation und Konzert in einem

„Das ist das Tolle an dem System, dass es beides kann und beides auch möchte. Man kann es sich vorstellen wie in einem großen Ausstellungsraum eine Installation, die man begeht. Wir wollten aber gleichzeitig auch eine Konzertsituation schaffen.“

160 Besucher finden im ISM Hexadome Platz. Sie können sich auf den Boden setzen oder umherlaufen. Die 360-Grad-Anordnung der Leinwände sorgt dafür, dass man überall gut sehen kann – und hören sowieso. Man ist umgeben von aufeinander abgestimmten Bildern und Klängen.

„Es hat natürlich eine ganz andere Intensität, wenn man das Kunstwerk wirklich betreten kann, also wenn man eintaucht in das Kunstwerk, das einen komplett umgibt. Natürlich ist es auch wichtig drüber nachzudenken, wie man auch wieder auftaucht und zu reflektieren, was das mit einem macht.“

Daher wird es im Martin-Gropius-Bau auch Künstlergespräche geben: Das erste am Samstag mit Brian Eno. Doch im Zentrum des Programms stehen die Installationen. Einige Künstler haben Klänge und Bilder im Studio aufeinander abgestimmt und präsentieren fertige, in sich geschlossene Werke, andere experimentieren vor Ort und reagieren auf das Publikum.

„Man kann die verschiedenen Klangquellen im Raum statisch positionieren oder live bewegen.“

Erklärt Benjamin Miller vom Zentrum für Kunst und Medien in Karlsruhe…

„Es hängt davon ab, welchen Algorithmus Sie benutzen. Man kann auch vorher mit einer Software die Bewegung schreiben, was die Künstler machen werden bei der Installation. Man kann es aber auch live steuern.“

Man kann das ISM Hexadome auch als eine Art neues Musikinstrument betrachten. Brian Eno ist der erste, der darauf spielen wird, Holly Herndon, Tarik Barri und Frank Bretschneider werden folgen. Das Publikum kann in sehr verschiedene Klangwelten eintauchen. Und mehr noch: Es darf getanzt werden.


Autor:  Oliver Kranz

Quelle: Deutschlandfunk

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